BGH: Widerrufsrecht bei im Fernabsatz geschlossenen Immobilien-Maklervertrag
Ein Immobilien-Maklervertrag, der zwischen Makler und Verbraucher per E-Mail oder am Telefon geschlossen wird, ist ein Fernabsatzvertrag und kann vom Kunden widerrufen werden. Das entschied der Bundesgerichtshof in zwei Verfahren am 7.7.2016.
Streit um Maklerprovision
Anlass für die BGH-Entscheidungen gab der Streit zwischen einer Immobilienmaklerin und ihrem Kunden über die Zahlung der Maklerprovision: Die Maklerin hatte im Jahr 2013 in einem Internetportal ein Hausgrundstück inseriert. Als sich ein Interessent per E-Mail bei ihr meldete, schickte sie ihm das Exposé zu. Darin war eine vom Käufer zu zahlende Maklerprovision in Höhe von 6,25% des Kaufpreises angegeben. Was das Exposé nicht enthielt, war eine Widerrufsbelehrung. Diese ließ sich auch nicht in der Anzeige im Internet finden. Es folgte ein Besichtigungstermin. Einige Wochen danach kaufte der Kunde das Grundstück für 240.000 €. Die Maklerprovision in Höhe von 15.000 € wollte er indes nicht zahlen. Die Maklerin zog vor Gericht. Im Prozess widerrief der Kunde den Maklervertrag. Das Landgericht Itzehoe gab der Maklerin Recht und verurteilte den Kunden zur Zahlung. Die Berufung des Käufers vor dem Oberlandesgericht Schleswig blieb ohne Erfolg. Schließlich landete der Streit beim BGH. Dieser widersprach der Ansicht der beiden Vorinstanzen und gab dem Kunden Recht.
Immobilien-Maklervertrag als Fernabsatzvertrag
Während das OLG Schleswig meint, dass Grundstücksmaklerverträge grundsätzlich nicht den Regelungen über Fernabsatzverträge unterfallen würden, stuft der BGH den Maklervertrag klar als Fernabsatzvertrag ein.
Nach der zur Zeit des Vertragsschlusses in 2013 geltenden alten Definition verstand man unter Fernabsatzverträgen Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt (§ 312b Abs. 1 Satz 1 BGB alte Fassung).
Der BGH sieht diese Voraussetzungen hier erfüllt. Der Maklervertrag stellt ein Fernabsatzgeschäft dar. Die Folge: Der Kunde kann den Vertrag widerrufen.
Fehlende Widerrufsbelehrung
Da die Maklerin den Kunden nicht über sein Widerrufsrecht belehrt hatte, konnte der Kunde seinen Widerruf lange nach Vertragsschluss noch im Gerichtsverfahren erklären. Der BGH verweist auf die Übergangsregelung für Fernabsatzverträge, die vor dem Inkrafttreten der Gesetzesreform am 13. Juni 2014 geschlossen worden waren: Ohne Widerrufsbelehrung erlosch das Widerrufsrecht bei Dienstleistungen erst mit Ablauf des 27. Juni 2015.
Widerrufsrecht nicht vorzeitig erloschen
Der BGH stellt klar, dass das Widerrufsrecht auch aus anderen Gründen noch nicht erloschen ist: So erlischt das Widerrufsrecht zwar vorzeitig, wenn bei einer Dienstleistung der Vertrag von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vollständig erfüllt worden ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausgeübt hat (§ 312 d Absatz 3 BGB alte Fassung). Das war hier aber nicht der Fall, denn der Kunde hatte die Provision ja nicht bezahlt, bevor er den Widerruf erklärte.
Kein Wertersatz ohne Belehrung
Schließlich konnte die Maklerin für ihre Leistungen keinen Wertersatz beanspruchen. Bei Fernabsatzverträgen über Dienstleistungen hat der Verbraucher Wertersatz für erbrachte Dienstleistungen nach den Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt nur zu leisten, wenn er vor der Abgabe seiner Vertragserklärung auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist und ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung beginnt (§ 312e Absatz 2 BGB alte Fassung).
Auch über dieses Recht hatte die Maklerin den Kunden nicht belehrt – und ging damit leer aus.
Hinweise zur aktuellen Rechtslage
Anlässlich des um die Maklerprovision entbrannten Streits stellt der BGH klar, dass ein Maklervertrag, der mit Verbrauchern unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen wird, einen Fernabsatzvertrag darstellt.
Der BGH hat die Entscheidung auf der Grundlage der damals geltenden Gesetzesfassung getroffen. Aber auch nach der jetzigen Rechtslage wäre dieser Maklervertrag als Fernabsatzvertrag zu werten.
Nach der aktuellen Definition sind Fernabsatzverträge
Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt (§ 312c BGB).
Fernkommunikationsmittel sind zum Beispiel: Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, E-Mails oder SMS.
Wer als Makler/in Grundstücke im Internet bewirbt, anschließende Vertragsverhandlungen via E-Mail, Post und Telefon abwickelt und auch den Vertrag auf diese Weise abschließt, bewegt sich im Bereich des Fernabsatzrechts.
Damit steht Kunden, die den Vertrag als Verbraucher abschließen, ein Widerrufsrecht zu. Der Makler ist in der Pflicht, seine Kunden hierüber ordentlich zu belehren. Wird die Widerrufsbelehrung versäumt oder nicht ordentlich erteilt, fängt die 14-tägige Widerrufsfrist nicht an zu laufen. Sie erlischt spätestens 12 Monate und 14 Tage ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. § 356 Absatz 3 Satz 1 und 2 BGB, § 355 Absatz 2 Satz 2 BGB).
Der Makler kann das Widerrufsrecht jedoch auch nach der jetzigen Rechtslage vorzeitig zum Erlöschen bringen: Voraussetzung hierfür ist, dass der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat und mit der Ausführung der Dienstleistung erst begonnen hat, nachdem der Verbraucher dazu seine ausdrückliche Zustimmung gegeben hat. Gleichzeitig muss er seine Kenntnis davon bestätigt haben, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert (§ 356 Absatz 4 BGB).
Schließlich besteht auch jetzt die Möglichkeit bei einem Dienstleistungsvertrag Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachten Leistungen zu verlangen. Voraussetzung ist, dass der Verbraucher von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass der Unternehmer mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Hierüber ist der Kunde ebenfalls zu unterrichten, anderenfalls kann Wertersatz nicht beansprucht werden (vgl. § 357 Absatz 8 BGB).
Mehr zum Widerrufsrecht lesen Sie hier.
OLG Schleswig: Vertragsschluss beim Besichtigungstermin
In der Vorinstanz vertritt das OLG Schleswig die Ansicht, dass der streitige Maklervertrag hier nicht schon per Telefon oder E-Mail, sondern erst im persönlichen Kontakt zwischen Makler und Kunden beim Besichtigungstermin zustande gekommen ist. Damit scheidet ein Fernabsatzgeschäft aus. Das Gericht führt dazu aus:
„Ein entgeltlicher Maklervertrag ist hier – wie regelmäßig: durch schlüssiges Verhalten – zustande gekommen, §§ 145 ff. BGB.
Das Angebot liegt – wie typisch – in der Übermittlung eines Exposés, das ein ausdrückliches Provisionsverlangen enthält. Dieses Angebot hat der Beklagte angenommen, indem er in Kenntnis des Provisionsverlangens weitere Maklerleistungen in Anspruch genommen hat.
(…) Eine ausdrückliche Vertragsannahmeerklärung des Beklagten gibt es nicht. Der Beklagte hat vielmehr insoweit (nur) den Eingang des Exposés (mit dem Provisionsverlangen) bestätigt und um einen Besichtigungstermin gebeten. Es kommt also nur eine konkludente Annahme durch Anfordern und Gefallenlassen von Maklerdiensten in Betracht. Ob allein die Bitte um einen Besichtigungstermin (ohne dass dieser schon stattfindet) als konkludente Vertragsannahme ausreicht, erscheint dem Senat zweifelhaft. Sicherer und letztlich allein hinreichend eindeutig wird man von einer Inanspruchnahme von Maklerleistungen als schlüssige Annahme des Provisionsverlangens erst ausgehen können, wenn tatsächlich – wie hier – die Besichtigung auf Veranlassung und sogar in Anwesenheit des Maklers durchgeführt wird. So gesehen ist die Provisionsvereinbarung erst im Zuge der persönlichen Begegnung der Parteien bei der Besichtigung geschlossen worden.
Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen
Vorsicht: Ein Widerrufsrecht des Kunden lässt sich dadurch nicht umgehen: Wird der Vertrag beim Besichtigungstermin des Grundstücks geschlossen, liegt nämlich ein Vertrag vor, der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wird. Dazu zählen Verträge,
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die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist (§ 312 b Satz 1 Nr. 1 BGB)
Auch bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen haben Verbraucher ein Widerrufsrecht.
Im Übrigen lässt sich durchaus die Ansicht vertreten (so wohl auch der BGH), dass der Maklervertrag schon vor der Besichtigung zustande gekommen ist: durch Angebot (das per E-Mail übermittelte Exposé mit Hinweis auf die Provision) und die (schlüssige) Annahmeerklärung des Kunden in Gestalt der telefonisch oder per E-Mail geäußerten Bitte des Kunden um einen Besichtigungstermin.
Anmerkung
Das zweite vom BGH zu entscheidende Verfahren betrifft einen – bis auf die Provisionshöhe (hier: 23.205 Euro) – gleichen Fall. Das Landgericht Erfurt verurteilte den Kunden zur Zahlung der Provision. Dieser ging jedoch mit Erfolg in Berufung: Das Oberlandesgericht Jena wies die Zahlungsklage der Maklerin ab – und der BGH wies die Revision der Maklerin zurück.
Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs, Nr. 114/2016: BGH, Urteile vom 7.7.2016, Az.: I ZR 30/15 und I ZR 68/15 sowie OLG Schleswig, Urteil vom 22.1.2015, Az. 16 U 89/14